Viele Beschwerden – Eine Ursache

„Betrachte das große Ganze, nicht die einzelnen Baustellen“

Meine Anfangsschwierigkeiten als Physiotherapeut

Die Zeit direkt nach der Ausbildung zum Physiotherapeuten war oftmals gar nicht so einfach, denn das was man in den 3 Jahren lernt und das was man in den Praktika in den Krankenhäusern lernt und behandelt, hat wenig damit zu tun, was einen in der Praxis erwartet.

Im Krankenhaus bekommt man die Karteikarte eines Patienten mit der aktuellen Diagnose, wegen der er hier ist in die Hand und um genau das Problem soll man sich auch kümmern. Wie zum Beispiel die postoperative Behandlung einer Knie- Totalendoprothese in Form von beginnender Kreislaufgymnastik, Lymphdrainage, Gangschule, passives Bewegen des Beines und vll sogar schon leichtere Mobilisationen.

Natürlich zu Beginn auch eine Aufgabe und Herausforderung, bei der man aber sehr gut das Handling lernt, sowie genau auf die Wundheilungsphasen zu achten. Allerdings hat man später in der Praxis nicht nur die postoperativen Patienten, bei denen man etwa nach verschiedenen Schemata behandeln kann, sondern Patienten mit komplexeren Beschwerden, bei denen die Diagnose „LWS Syndrom“ oder „Impingement“ lautet. Also eigentlich nichtssagend…

Und darauf finde ich wird man in der Ausbildung zum Physiotherapeuten nicht ausreichend vorbereitet. Ein Grund warum viele die Physiotherapeuten noch als „Masseure“ sehen. Deswegen hier ein paar Tips und Denkanstöße für junge Kollegen oder auch Physios, die sich noch in der Ausbildung befinden, die mir vor allem in der Osteopathie immer klarer geworden sind.

Das große Ganze

Ich beschreibe kurz einen klassischen Patienten, der in die Praxis kommt: Männlich, Mitte 40, kommt weil er sehr akut strake Schmerzen im unteren Rücken hat, manchmal strahlt es zur Seite aus, hin und wieder in den linken Oberschenkel, war aber auch schon in den rechten. Zudem hat er immer wieder starke Verspannungen im Nacken, aber klar, er Arbeitet ja auch hauptsächlich am Schreibtisch. Wegen Rheuma, vor allem Handbetont wird er bereits seit Jahren ärztlich behandelt, allerdings sind die Handgelenke momentan wieder besonders schmerzhaft. Nach genauerem Nachfragen ist der Schlaf auch nicht so gut und hauptsächlich morgens fühlt er sich ziemlich niedergeschlagen. Sport würde sowieso mit den Handgelenken momentan nicht gut gehen und er zudem auch nach längerem Gehen schmerzen im linken Knie bekommt.

Ok, was machst du jetzt als Therapeut? Ich denke dieses Beispiel ist sehr praxisnah und kommt dem ein oder anderen etwas bekannt vor. Direkt nach der Ausbildung wäre ich jetzt etwas überfordert gewesen. Wo fange ich an? Was soll ich zuerst behandeln? Was untersuche ich zuallererst? Aber auch aufgrund der Tatsache, dass ich auch nur 25 Minuten Zeit hatte diesen Menschen zu behandeln. Denn, klar er kommt primär zu dir aufgrund seiner Rückenschmerzen, aber was ist mit seinen anderen Beschwerden. Ich habe schon immer den Drang dazu gehabt, dem Patienten bestmöglich zu helfen und ihm alle Beschwerden zu nehmen und ich denke das geht den meisten meiner Kollegen so. Auch ein Grund warum man diesen Beruf gewählt hat. Nach meiner Ausbildung, hätte ich mir vermutlich vorerst den unteren Rücken angeschaut, mobilisiert, gelockert und mich danach noch etwas um den Nacken gekümmert, was in 25 Minuten allerdings schon eine Herausforderung war. Sprich, nicht einmal die hälfte seiner Beschwerden hätte ich wohl behandelt.

Wie gehe ich nun also am besten mit diesem Patienten um und welche Gedanken würde ich mir machen?

„Genau zuhören“ Ich finde in der Anamnese kann man in den meisten Fällen schon sehr viel heraushören, was man dann über eine spezifische Befundung auch bestätigen muss. Also Hauptproblem momentan sind also seine Rückenschmerzen, welche mal links und aber auch mal rechts nach unten strahlen. (Neurologie sollte dann in der Befundung ausgeschlossen werden) Wurde aber wahrscheinlich bereits ärztlich abgeklärt. Dennoch macht es sinn Sensibilität, Kraft und eventuell Reflexe zu testen.

Nur hat er eben viele weitere Beschwerden, welche er auch gerne behandelt hätte. Zu Beginn würde ich mir Gedanken machen, was alles einen Einfluss auf den Rücken hat, was eventuell auch mit seinen Rheumatischen Beschwerden zusammenhängt, wobei mir direkt mal der Verdauungstrakt in den Sinn kommen würde. Denn die Erfahrungen die ich bis jetzt mit Rheumatischen Erkrankungen gemacht habe sind, dass sie sehr stark durch eine Ernährungsumstellung, eine bessere Entgiftungsfähigkeit und durch Bewegung zu beeinflussen sind. Aufgrund der Neurologie, dem vegetativen Nervensystem und der Aufhängestrukturen könnte eine Problematik im Darmbereich zu Rückenschmerzen führen, aber auch zu einer vermehrten Spannung im Nackenbereich sowie zu einem schlechten Schlaf. Verklebungen, Blähungen, Stauungen, Senkungen, oder Bewegungsstörungen im Bauchbereich und im kleinen Becken können zu Dysbalancen und einer gestörten Biomechanik führen, welche sich in Form von Beschwerden, wie Ausstrahlungen ins Bein, Durchblutungsstörungen oder auch schmerzen im Knie oder Fuß zeigen können.

Wie würde ich untersuchen?

Wie und was genau ich untersuchen würde, wäre abhängig davon, was ich in meiner ersten allgemeinen Untersuchung finde. Dazu gehört der einfache Stand, evtl aktive aber hauptsächlich passive Bewegungsuntersuchung der gesamten Wirbelsäule im sitzen, der Iliosacralgelenke im Stand, ein paar Spannungsuntersuchungen (Myofaszial) im Stand und im liegen sowie einem viszeralen Schnelltest. Je nachdem was ich hier finde, kann ich dann genauer und spezifischer Untersuchen und vor allem provozieren. Denn wichtig ist es den Schmerz zu provozieren, um sagen zu können welche  Struktur den Schmerz verursacht, was auch für meine späteren Re-Tests wichtig ist.


Gesamtbetrachtet ist dies nur ein Beispiel! Ich versuche immer unvoreingenommen und ohne Vorurteile in die Untersuchung zu gehen, denn diese lassen mich auch gerne genau das finden, was ich „finden möchte“. Deswegen war dies nur ein Beispiel um zu veranschaulichen, dass es keinen Sinn macht jede Beschwerde für sich einzeln zu betrachten, sondern sich zu überlegen wo das Zentrum liegt, welches gelöst werden muss. Und dies geht am besten über das „Spüren und Suchen mit den Händen“

Bei Fragen zu dem Thema dürft ihr mir gerne eine Nachricht schreiben oder gerne einen Kommentar hinterlassen.

Beste Grüße

Dennis

Antworten

  1. Avatar von Nico

    Hallo Dennis,
    finde den Artikel sehr interessant und zutreffend. Bin jetzt auch seit 4 Jahren Physiotherapeut und am überlegen wie es weiter geht bzw in welche Richtung.
    Wo hast du die Osteopathie ausbildung gemacht?

    Liebe Grüße Nico

    1. Avatar von DennisWagner

      Hey Nico,
      vielen Dank und freut mich zu hören! Ich habe die Osteopathie an der IAO (International Academy of Osteopathy) 5 Jahre nebenbei gemacht und kann sie grundsätzlich schon dort empfehlen. Man bekommt einen super Roten Faden!! Und die Dozenten haben echt Ahnung! Allerdings sind sie sich etwas eingeschränkt in manchen Sichtweisen des einfachen „spürens“ aber das kann man ja auch für sich selber entscheiden.
      Beste Grüße
      Dennis

  2. Avatar von Valentina

    Hallo Dennis,
    ich finde deine Sichtweise total spannend und habe anhand deines Beispiels schon einige Patienten von mir im Hinterkopf. Ich habe zwar das Studium der „Physiotherapie“ in Österreich absolviert, jedoch finde ich dass eben so komplexe Zusammenhänge auch an der Fachhochschule wenig Platz haben. Bezüglich „Viszerale“ habe wir kaum bis wenig gemacht. Findest du das die Ausbildung zum Osteopathen der einzige Weg für so eine ganzheitliche Sichtweise ist? Bin derzeit am überlegen, ob ich das auch machen will… LG Valentina von Physio inspiriert

  3. Avatar von Thomas Karbowski

    Interessant zu wissen, dass ein Physiotherapeut es bereits früh in der Praxis lernt, auf die Wundheilungsphasen genau zu achten. Mein Onkel hat als Physiotherapeut fast 20 Jahren gearbeitet. Er ist der Ansicht, dass Physiotherapeuten in den letzten 10 Jahren immer stärker nachgefragt werden.

    1. Avatar von DennisWagner

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke auch dass sich in den letzten 10 Jahren viel verändert und getan hat! Und dennoch ist der menschliche Organismus so komplex, dass dieser Beruf wohl ein Lebenslanges Studium ist 🙂

  4. Avatar von Nina Hayder

    Seit einiger Zeit bin ich überlegen, ob ich meine Rückenschmerzen nun doch behandeln lassen sollte. Denn der Artikel hat mir gezeigt, was für ausweitende Folgen diese haben können. Ich werde mir nun eine Physiotherapie starten.

    1. Avatar von DennisWagner

      Hallo Nina, danke für deine Nachricht 🙂 Niemals aufgeben!! Es gibt immer einen Grund, eine Ursache für Beschwerden. Probiere es gerne mal mit der Physiotherapie, aber ich denke bei der Osteopathie bist du ganzheitlicher aufgehoben. Bei Fragen, kannst du dich gerne jederzeit per mail oder Telefon melden. Liebe Grüße und viel Erfolg!

      Sportliche Grüße
      Dennis

  5. Avatar von Thomas Karbowski

    Gut zu wissen, dass eine Problematik im Darmbereich aufgrund der Neurologie, dem vegetativen Nervensystem und der Aufhängestrukturen zu Rückenschmerzen, aber auch zu einer vermehrten Spannung im Nackenbereich sowie zu einem schlechten Schlaf führen kann. Mein Neffe möchte sich zum Physiotherapeuten ausbilden lassen. Er wusste nicht, dass typische Probleme für Physiotherapeuten wie Rückenschmerzen auf Probleme in anderen Körpersystemen zurückzuführen sind.

  6. Avatar von nina

    Leider habe ich starke Rückenschmerzen. Gut zu wissen, dass ein Physiotherapeut diese gut behandeln kann. Ich werde mich nach einem umschauen.

  7. Avatar von Melanie Samsel

    Vielen Dank für den ehrlichen Bericht! Meine Tochter fängt bald eine Ausbildung zur Physiotherapeutin an und da ich selber noch nie in der Physiotherapie war, wollte ich mich ein wenig über ihre nächsten Lebensabschnitte informieren. Es ist daher gut zu wissen, wie sich deine Herangehensweise über die Zeit entwickelt hat, dass ein wenig Unsicherheit auch in so einem Job am Anfang normal ist. Ich werde ihr den Blog hier mal weiterleiten, das hilft ihr bestimmt auch,

    1. Avatar von DennisWagner

      Hallo Melanie 🙂 Vielen Dank für das Interesse und dein Kommentar. Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch gerne telefonisch melden, oder wir machen was aus, wenn ihr noch weitere Fragen zur Ausbildung oder den Möglichkeiten im Bereich Physio und Osteopathie habt. Eventuell kann ich da noch ein paar Tips und Erfahrungswerte mit auf den Weg geben.

      Liebe Grüße
      Dennis

  8. Avatar von Anton Schneider

    Vielen Dank für den interessanten Artikel und Einblick aus deiner Sicht als Physiotherapeut. Ein guter Freund von mir arbeitet auch in einer Physiotherapie für Kieferbeschwerden und hat eine ähnliche Sichtweise in Bezug auf Ausbildung etc. entwickelt. Ich finde es super, dass du trotz der Startschwierigkeiten so gut reingekommen bist.

  9. Avatar von Dennis Becker

    Mein Onkel ist derzeit auf der Suche nach einer Physiotherapie. Dabei ist es gut zu wissen, dass die Ausbildung zum Physiotherapeuten 3 Jahre dauert. Ich hoffe, dass er einen passenden Anbieter finden wird.

  10. Avatar von Anton Schneider

    Es ist verrückt, dass viele Beschwerden manchmal auf eine Ursache zurückzuführen sind. Da kann eine Physiotherapie schon helfen. So habe ich die Erfahrung auch gemacht.

  11. Avatar von Rudi Sterzer

    Ich habe mit Physiotherapie viele Fortschritte machen können und würde Physiotherapeuten niemals als Masseure sehen. Ich halte es für eine gute Idee, immer unvoreingenommen und ohne Vorurteile in die Untersuchung zu gehen. Jeder Körper ist individuell und so kommt man dem Problem am ehesten auf die Schliche.

  12. Avatar von Dennis Becker

    Mein Onkel ist derzeit auf der Suche nach einer Physiotherapie. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erfahren, dass die Ausbildung zum Physio drei Jahre dauert. Ich hoffe, dass er einen passenden Anbieter finden wird.

  13. Avatar von Ulrike

    Ich bedanke mich für den gut beschriebenen Artikel. Viele Punkte über die Rückenschmerzen habe ich selbst noch gar nicht gewusst. Jetzt bin ich bestens für mein Vorhaben vorbereitet.

  14. Avatar von Anton Schneider

    Gut zu wissen, dass man mit der Physiotherapie so etwas herausfinden kann. Hätte ich nicht gedacht. Ich werde es auch mal ausprobieren.

  15. Avatar von Anita Kafe

    Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Physiotherapie. Ich hätte niemals gedacht, dass unbehandelte Schmerzen solche Auswirkungen haben könnten. Ich denke, ich werde mich, aufgrund meiner starken Rückenschmerzen, möglichst zeitnah an eine Physiotherapie wenden.

  16. Avatar von Rudi Sterzer

    Es ist gut, dass du immer versuchst, unvoreingenommen und ohne Vorurteile in die Untersuchung zu gehen. Oft haben Menschen, die zur Physiotherapie gehen, mehrere Beschwerden und wissen selbst nicht, wo man anfangen soll. Das kann man dann in der Beratung für die manuelle Therapie erstmal klären.

  17. Avatar von nina

    Ich leide unter Rückenschmerzen. Durch den Beitrag weiß ich, welche Physiotherapie mir helfen kann. Ich werde zu einer Physiotherapie gehen.

  18. Avatar von Kim

    Können Rückenschmerzen nicht auch eine psychosomatische Ursache haben? Ich find es toll, dass sie sich als Praxis vorstellen. Ich hoffe, dass ich auch einen so guten Physiotherapeuten haben werde.

    1. Avatar von DennisWagner

      Rückenschmerzen können definitiv auch aufgrund Psychosomatischer Faktoren auftreten. „Wenn die Seele weint und der Mund schweigt, spricht der Körper“.

  19. Avatar von Alex Finsterbusch

    Vielen Dank für den interessanten Artikel und die persönliche Geschichte. Ich kann mich gut in die Situation hineinversetzen, da meine Mutter vor einiger Zeit ebenfalls Probleme mit Rückenschmerzen hatte und sich zur Lymphdrainage entschieden hat. Die Therapeutin hat dabei nicht nur ihre Schmerzen im Rücken gelindert, sondern auch ihre Verspannungen im Nacken und den Kopfschmerzen entgegengewirkt.

    Ich denke, es ist wichtig, sich als Therapeut auf die individuellen Bedürfnisse und Beschwerden jedes Patienten einzustellen und nicht nur das offensichtliche Problem zu behandeln. Auch wenn man in begrenzter Zeit arbeiten muss, sollte man den Patienten genau zuhören und sich ein umfassendes Bild von seinen Beschwerden machen. Nur so kann man eine gezielte und effektive Behandlung durchführen.

    Ich finde es gut, dass der Artikel darauf aufmerksam macht, dass man als Therapeut auch nach der Ausbildung nicht sofort alles wissen kann und dass es normal ist, am Anfang unsicher zu sein. Wichtig ist, sich immer weiterzubilden und Erfahrungen zu sammeln, um den Patienten bestmöglich zu helfen.

    1. Avatar von DennisWagner

      Der Bereich „Gesundheit“ und „Beschwerden“ ist so groß und vielseitig das man wohl nie komplett auslernt. Wichtig ist es auch zu wissen, wann man zu wem weiter schicken kann. Das können sich die meisten nur leider nicht eingestehen. Danke für dein Interesse an dem Thema und den Kommentar 🙂
      Viel Erfolg weiterhin!

  20. Avatar von Marie Busch

    Ich bin derzeit auch einmal wieder auf der Suche nach einer Physiotherapie. Allerdings wusste ich nicht, dass diese zum Teil nur als Masseure gesehen werden. Das ist mir noch nie so gegangen.

  21. Avatar von Melanie Samsel

    Mein Sohn möchte ebenfalls Physiotherapeut werden. Daher ist es gut zu wissen, wie wenig man mit seinen Patienten machen kann. Vielleicht sollte er sich eine weniger leistungsorientierte Praxis aussuchen.

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